Die Essenz des Südens

„Trulli“ – die typischen Schlumpfhäuser in Alberobello

Die Toskana ist schön. Doch Apulien – das ist eine Überdosis Italien: 300 Sonnentage im Jahr, kristallklares Meer, tiefrote Weine und eine Küche, die mit ihren Aromen alles Mediterrane eingefangen hat.

Genau 1243 Kilometer sind es vom Grenzübergang Brenner nach Santa Maria di Leuca, dem südlichsten Zipfel Italiens. Hier ist Apulien zu Ende – eine Region wie sie süditalienischer nicht sein könnte – umrahmt von 800 Kilometer Küste und geprägt von einer weiten Landschaft voller silbrig glitzernder Olivenbäume. 70 Millionen soll es hier laut offizieller Statistik geben. Da wir gleich bei der Ankunft etwas von dieser Region zwischen „Terra e Mare“ erleben wollen, fahren wir über Land in unser erstes Hotel. Der Weg führt nicht nur an den berühmten Trulli von Alberobello vorbei, die wie märchenhafte Schlumpfhäuser wirken, sondern eben auch an nicht enden wollenden Olivenhainen mit ihren Jahrhunderte alten knorrigen Stämmen. „Ja, das Olivenöl ist seit jeher unser flüssiges Gold. Nirgendwo ist sein Geschmack intensiver als in Apulien“, schwärmt Signor Vittorio, in dessen eleganter Masseria Torre Coccaro wir gleich am Ankunftstag zu Abend essen. Vittorios Masseria ist eines jener eleganten Hotels, die aus alten befestigten Gutshöfen entstanden sind. Strahlend weiß sind seine Fassaden – nur die kleine Kapelle sticht in warmem Lachsrot hervor. Noch abends um acht ist die Luft angenehm lau. Ein zarter Duft von Rosmarin weht uns um die Nase, als uns Kellner Natale an einen Tisch direkt neben dem Kräutergarten begleitet. Hier werden wir zunächst mit allerlei Antipasti verwöhnt: Eingelegte wilde Zwiebeln „Lampasciuni“, ein kräftiges Mousse aus Saubohnen mit gekochtem Löwenzahn, süßlich-saure Zucchini, sowie ein Salat aus frischen Tomaten, Oliven, Gurken und handgeschöpften Mozzarelle, die aussehen wie schneeweiße Bonbons. Dazu natürlich ein paar Tropfen jenes Olivenöls, bei dessen Ernte und Pressung die Gäste der Masseria im Spätherbst mithelfen können – eigene Abfüllung inklusive. Aus einem Korb tagesfrischer Fische dürfen wir schließlich unseren Hauptgang auswählen: Wir nehmen den Zackenbarsch, der mit hauseigenen Kapern und Orangenspalten serviert wird. Aber was wäre so ein feines Essen ohne den passenden Schluck Wein?

Natale empfiehlt uns einen weißen Verdeca aus dem Salento, jener 100 Kilometer langen Halbinsel, die Italiens Stiefelabsatz bildet. Hier sind nicht nur charakteristische apulische Weine, sondern auch einige der schönsten Städte der Region zu Hause, darunter „Apuliens weiße Stadt“. Wie eine Halbkugel aus kleinen Setzkastenhäuschen erscheint das auf 218 Meter Höhe gelegene Ostuni aus der Ferne. Wir erkunden per pedes die weißen Gassen, in denen trotz flirrender Hitze gemütliches Treiben herrscht: Von der Laderampe einer dreirädrigen Ape wird frisches Gemüse verkauft, am Tresen der Bar politisieren einige Herren, während sich die Signore auf einem Treppenabsatz zum gemeinsamen Kapernsäubern und einen Schwatz getroffen haben. „Das hier ist im Sommer unser Wohnzimmer – kühl und stets unterhaltsam“, erklärt Signora Maria mit einem breiten Lächeln auf die Frage, warum sie hier draußen sitzt. Na klar, denn in Apulien kann es schon mal 40 Grad heiß werden. Deshalb hat man auch gut daran getan, die Häuser in lichtabweisendem Weiß zu kalken. So auch im nahe gelegenen Locorotondo, das deutlich verschlafener wirkt als die „große Schwester“, aber auf seine Art mindestens ebenso viel mediterranen Charme versprüht. Doch da gegen Hitze auch gut eine Kühlung von innen hilft, genehmigen wir uns diese bei unserer nächsten Etappe: Ein Gelato auf der Piazza Oronzo im Caffé Tito Schipa in Lecce gehört zu den Hochgenüssen dieser Tour. Vor allem die Sorten Melone und Zitrone wirken wie eine Klimaanlage von innen und lassen uns mit neuer Energie die Schönheiten Lecces erkunden. Die Provinzhauptstadt ist berühmt für ihren typischen „Lecceser Barock“. In sanftgelbem Licht präsentieren sich die Palazzi und Kirchen rund um die Piazza Oronzo und entlang des Corso Vittorio Emanuele. Unzählige Girlanden, Früchte und Blumen haben Bildhauer aus weichem Tuffstein gehauen. Süditalienische Opulenz ohne Gleichen.

 

Die Farbe blau

Am Nachmittag, wenn die Hitze langsam in sanfte Wärme übergeht, zieht es die Menschen hier unweigerlich ans Meer. So auch uns: Giorgio, der Padrone unserer zweiten Unterkunft „Masseria Montelauro“ schickt uns ganz nach unten, an den Küstenstreifen zwischen Otranto und Santa Maria di Leuca. „Geht bei Cesarea Terme ins Wasser, dort gibt es tolle Felsplattformen zum Sonnenbaden. Und esst danach eine Pasta im Hafenrestaurant in Tricase“, gibt er uns in lieb gemeintem Befehlston mit auf den Weg. Wir tun gut daran, Giorgios Rat zu befolgen, denn kaum einer kennt die Gegend so gut wie er. An der Badebucht von Cesarea Terme tummeln sich kleine Fische in türkis bis tiefblau schimmerndem Wasser, während ein paar Bambini fröhlich um die Wette plantschen. Ja, hier im Süden gibt es ihn noch, den Charme der 50er Jahre mit verschlafenen Dörfern, romantischen Stränden und kleinen Häfen, in den morgens noch die Fischerboote anlegen. So auch in Tricase, Giorgios Empfehlung, wo wir am Hafen köstliche Pasta im Parmesankörbchen mit frischen Venusmuscheln und Zucchiniblüten verspeisen. Angenehm müde von Sonne, Wasser und Wind lassen wir den Abend im lauschigen Restaurant der Masseria bei einem Glas Primitivo di Manduria ausklingen.

Von Häfen und Höhlen

Gestärkt von diversen Espressi, einem heißen Cornetto und einem frisch gespressten Orangensaft ziehen wir am nächsten Morgen los: Gallipoli heißt unser erstes Tagesziel. Die Altstadt des kleinen Städtchens im Golf von Tarent liegt mit ihrer Festung auf einer Insel, die über eine Brücke mit dem modernen Teil der Stadt verbunden ist. Wie ein Schiff vor Anker ruht sie im Hafen, hinter den hohen Mauern erheben sich prächtige Kirchen; sie wirken wie Beschützer, die über die Geschicke ihrer Stadt wachen. Ein unvergesslicher Anblick, der allenfalls von unserer nächsten Etappe noch überboten wird:. Über Tarent unternehmen wir einen Abstecher in die Nachbarregion Basilikata. Die Region ist nach wie vor weitgehend unentdeckt und hat doch eines der ganz großen Highlights des Südens zu bieten: die Felsenstadt Matera mit ihren rund 120 Felsenkirchen und den Höhlenwohnungen, genannt „Sassi“. Über der tiefen Schlucht des Gravina-Wildbachs erheben sich die beiden alten Wohnviertel Sasso Barisano und Sasso Caveoso, die von der UNESCO 1993 zum Weltkulturerbe erklärt wurden. „1953 wurden wir aus den Höhlen evakuiert. Wir haben meine ganze Kindheit über zu sechst in zwei Räumen ohne fließendes Wasser oder Strom gewohnt“, erzählt uns der alte Signor Giovanni mit etwas Wehmut im Blick. Heute lebt Signor Giovanni allerdings wesentlich komfortabler im neuen Teil der Stadt. Und einige der Höhlen wurden inzwischen restauriert und beherbergen kleine charmante Läden oder Restaurants, in denen noch spät am Abend Amaro Lucano, der berühmteste Digestif der Region, ausgeschenkt wird. Wir trinken einen und dann noch einen, und schauen zu, wie die Sonne langsam hinter dem Sassi-Viertel untergeht. Die Toskana vermissen wir keine Sekunde.

 

INFORMATIONEN:

Anreise:

Von Deutschland fliegt TUIfly z.B. von München nach Bari ab ca. 180 € inkl. Steuern und Gebühren. www.tuifly.com.

Mietwagen: Günstige Mietwägen, z.B. Fiat Punto, eine Woche 277 € ab Flughafen Bari bietet www.holidayautos.de

Unterkunft:

Masseria Montelauro

www.masseriamontelauro.it

Masseria im Landesinneren aus dem Jahr 1878. Elegante mediterran gestaltete Zimmer und Suiten.

DZ mit Frühstück ab 160 €

Masseria Torre Coccaro

www.gesthotels.com

5-Sterne-Resort nahe am Meer mit exzellentem Restaurant in einem Gutshof aus dem 16. Jh. Zimmer und Suiten mit Natursteinwänden im Landhausstil.

DZ mit Frühstück ab 262 €

Locanda di San Martino

www.locandadisanmartino.it

Höhlenwohnungen wurden in diesem charmanten Hotel zu schicken Zimmern mit „Sassi-Charme“ umgewandelt.

DZ mit Frühstück ab 89 €.

Restaurants:

Masseria Pietro di Castro

Im blumenbewachsenen Innenhof der alten Masseria treffen sich vor allem italienische Pärchen und Familien, um frischen Fisch oder die rund 20 kleine Gänge umfassende Antipastovariation zu genießen.

Il Contadino

Via Azienda Frassanito – Otranto

www.ilcontadino.it

Der Agriturismo mit großem Restaurant nahe der Stadt Otranto bietet bodenständige Regionalküche aus frischen Zutaten: Gemüse aus Eigenanbau, hausgemachte Pasta sowie einen süffigen Tischwein, den der Sohn des Hauses keltert. Auch Verkauf von selbstgepresstem Olivenöl.

Alle Due Corti

Corte dei Giugni,1 – Lecce

www.alleduecorti.com

Seit vielen Jahren bereitet Signora Rosalba in ihrer gemütlichen Trattoria typische Gerichte zu, die sie selbst von ihrer Nonna gelernt hat: Orecchiette mit wildem Broccoli, frittierte Gemüse oder mit Pecorino und Kapern gefüllten Tintenfisch

Einkaufen:

Pappmaché

Zahlreiche Läden in Lecce verkaufen sie dort traditionella aus Pappmaché khergetellten Krippenfiguren oder Dekorationsobjekte, z.B: Arte Sacra di Claudio Riso, Corso Vittorio Emanuele 27.

Keramik

Geschirr, Amphoren und andere Utensilien werden in Apulien seit Jahrhunderten aus Keramik und Terrakotta angefertigt. Zu kaufen z.B. bei

Manufatti artistici, Via Duca d’Aosta, 4/8, Alberobello.

Olivenöl

Feinstes kaltgepresstes Olio d’oliva extra Vergine verkauft das Oleificio Masella, SS16, Montalbano di Fasano.

Mehr unter: www.viaggiareinpuglia.it